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Mental Load – Die unsichtbare Belastung

Hast Du schon mal den Begriff Mental Load gehört? Nein? Hier eine kurze Erklärung: Er bezeichnet die unsichtbaren Aufgaben, die permanent in unseren Köpfen rotieren. Ellenlange To-Do-Listen, die nie enden wollen und uns nie richtig zur Ruhe kommen lassen. Keine Überraschung also, dass uns Mental Load, gerade wenn wir alleinerziehend sind, auf Dauer in chronischen Stress versetzt. Während man sich in einer Partnerschaft die Aufgaben bestenfalls aufteilen kann, sieht das bei uns Alleinerziehenden leider anders aus.

Woher kommt der Begriff „Mental Load“?

Der Begriff Mental Load wird schon seit den frühen 70er Jahren verwendet und wurde damals im Zusammenhang mit Stress bei verschiedenen Berufsgruppen diskutiert. Die französische Zeichnerin Emma gab ihm in ihrem gleichnamigen Comic dann sozusagen, die Bedeutung, die wir ihm heute zuschreiben: Die ungleiche Verteilung der alltäglichen Aufgaben bei heterosexuellen Paaren, insbesondere die vielen „unsichtbaren“ Aufgaben, die sogenannte „Denkarbeit“, welche vom Partner meist nicht wahrgenommen und wertgeschätzt werden. In der Regel sind es Mütter, die einen Termin beim Kinderarzt für die nächste Impfung vereinbaren. Sie organisieren, wann welches Kind wo abgeholt oder hingebracht werden muss und sorgen dafür, dass beim Kindergartenfest ein Kuchen beigesteuert werden kann. Und während des Backens werden dann nebenbei noch die Vokabeln abgefragt, denn der Sohn schreibt am nächsten Tag einen Test. Die Liste ließe sich viele weitere Zeilen fortführen. Das Gefühl für alles zuständig zu sein und nichts vergessen zu dürfen verhindert, dass wir den Kopf einfach mal abschalten, und setzt uns unter Dauerstrom.

Ist das Jammern von Frauen über den Overload in ihrem Kopf übertrieben?

Klare Antwort: Nein! Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus August 2023 zeigt, dass Frauen nach wie vor die meisten „unsichtbaren Aufgaben“ übernehmen. Selbst dann, wenn sie Vollzeit arbeiten. Der Mental Load steigt mit der Geburt von Kindern an. Logisch, denn dann müssen wir zusätzlich an pflegerische und organisatorische Tätigkeiten denken. Mütter fungieren als wahre Managerinnen der Familie.

Die Gründe, warum es zu einer ungleichen Verteilung der Aufgaben kommt, sind vielschichtig. Zum einen liegt es an den noch immer vorherrschenden Geschlechterstereotypen in unserer Gesellschaft (die Frau ist die liebevolle Kümmerin, der Mann sorgt für die finanzielle Absicherung) zum anderen wird es Vätern von Arbeitgeberseite her oft noch schwer gemacht ihrer „neuen“ Vaterrolle nachzukommen, da oft davon ausgegangen wird, dass die Mutter ihre Stunden reduziert und für den Nachwuchs sorgt. Viele Väter befürchten Nachteile in Bezug auf ihre Karriere. Dabei ist es sogar so, dass viele Frauen gerne mehr arbeiten gehen würden. Dies zeigt eine Studie des BiB. Und man konnte sogar herausfinden, dass der Mental Load bei voll erwerbstätigen Frauen etwas niedriger ist. Wenn Väter die Gelegenheit bekämen ihre Stunden zu reduzieren, Mütter hingegen ihre Stunden erhöhen könnten, würde die Aufgabenverteilung besser aufgeteilt werden können. Zudem gäbe es auf dem Arbeitsmarkt mehr Erwerbsstunden, die zur Verfügung stünden. Moment mal, war da nicht sogar was mit Fachkräftemangel? Okay, anderes Thema..

So sieht also die ideale Vorstellung bei Paaren aus. Was aber ist nun mit dem Mental Load bei Alleinerziehenden? Hier gibt es nur ein Elternteil. Und der ist meistens sogar voll erwerbstätig.

Auswirkungen des Mental Load auf Alleinerziehende

Dass es Alleinerziehenden mit dem Mental Load nicht besser geht, eher sogar schlechter, weil sie eben so gut wie nie die Möglichkeit haben, mal eine Aufgabe abzugeben, ist wohl keine Überraschung. Zusätzlich zu der To-Do-Liste, die wie ein Newsticker stetig durch das Gehirn scrollt, kommt bei vielen auch noch die Sorge über die Finanzen, die Sorge um die Kinder oder unschöne Auseinandersetzungen mit dem anderen Elternteil. Die physische , aber besonders die psychische Belastung ist hoch.

Das konnte bereits vor Jahren in der Düsseldorfer Alleinerziehenden-Studie vom Klinischen Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Düsseldorf belegt werden. Schlafstörungen, Tinnitus, Burnout, Depression und weitere gesundheitliche Beschwerden können die Folge sein. 

Und das Problem kann noch weitergehen. Die Belastung des alleinerziehenden Elternteils bleibt den Kindern nicht verborgen. Viele Kinder fühlen sich für ihre Eltern verantwortlich, stellen ihre Bedürfnisse zurück und entwickeln Schuldgefühle. Eine zusätzliche Belastung für das Kind, wenn es die Trennung der Eltern eh schon als traumatisch erlebt hat (was aber nicht sein muss). Kinder können so ebenfalls gesundheitliche bzw. psychische Probleme bekommen, dies führt wiederum zu mehr Belastung bei den Alleinerziehenden… ein Teufelskreis!

Natürlich gibt es auch die getrennt Lebenden, in denen die Aufgabenverteilung gut organisiert ist und ein vernünftiger Umgang herrscht. Aber die Regel ist das nicht. Auch haben nicht wirklich alle Alleinerziehenden jedes zweite Wochenende frei, wie oft angenommen wird. Entweder kümmert sich der andere Elternteil nicht um die Kinder, das Kind kann aus anderen Gründen nicht dorthin oder an den Wochenenden werden weitere Aufgaben erledigt, für die unter der Woche eben, oh Wunder, keine Zeit ist. 

Das Gehirn schläft so gut wie nie. Was also tun gegen den Mental Load?

Hilfe bei Mental Load

Tja, was können wir machen, damit unser Kopf mal zur Ruhe kommt? Die Tipps, die ich für diesen Artikel recherchiert habe lauten unter anderem: „Arbeit fair verteilen“ „Ohne schlechtes Gewissen Zeit für sich nehmen“, „Verantwortung abgeben und loslassen lernen“. Klingt alles sehr schön und schlüssig. Die meisten Anregungen setzen allerdings einen Partner voraus. Machbar ist das eventuell, wenn man ein gutes Unterstützer-Netzwerk hat oder wenn Oma und Opa in der Nähe wohnen und sie  bereit und fit genug sind, um einen hin und wieder die Kinder abzunehmen. Dann sollte aber wirklich Me-Time angesagt sein. Ohne schlechtes Gewissen!

Das schlechte Gewissen

Das ist ein weiterer Punkt, den ich bei vielen (alleinerziehenden) Müttern beobachten konnte: Das schlechte Gewissen. Bin ich wirklich eine gute Mutter? Sorge ich gut für mein Kind? Achte ich auf all seine Bedürfnisse? Ich gehe doch schon Vollzeit arbeiten und dann soll ich es nochmal fremdbetreuen und Zeit für mich nehmen?

Eins sollte Dir bewusst sein: Nur wenn es Dir gut geht, geht es Deinem Kind gut!

Ein Auto kann auch nicht durchgängig seine volle Leistung bringen, wenn Du nicht zwischendurch mal tankst oder Strom lädst und eine Wartung durchführst. Irgendwann ist keine Energie mehr da, um Dich und Deine Kinder von A nach B zu bringen.

Wenn möglich, nimm Dir also Auszeiten und behandle Dich, wie Du Deine beste Freundin oder Deinen besten Freund behandeln würdest. Geh‘ mit Dir Kaffee trinken, in die Sauna oder liege faul auf der Couch rum und schau‘ Dir eine Sitcom an. 

Ältere Kinder kannst Du übrigens in den Haushalt miteinbeziehen und ihnen altersangemessene Aufgaben geben. Auch hier brauchst Du kein schlechtes Gewissen haben, im Gegenteil. Sie lernen, was alles zur Haushaltsführung dazu gehört, aber auch, dass es wichtig ist, sich gegenseitig zu unterstützen.

Was machen wir aber, wenn wir nicht so einfach Zeiten nur für uns finden können? Gibt es dann überhaupt eine Chance den Mental Load zu verringern?

Die Antwort lautet: Ja! Aber da hilft nur eines: Wir müssen an unserer inneren Einstellung arbeiten. Das kann schwierig sein, bringt aber Entlastung und auch ein Stück Freiheit. Letztendlich liegt es an uns, wie wir auf Dinge reagieren. Früher fand ich diesen Satz sehr provokant, aber da wir auf viele Sachen, die im Außen passieren, keinen Einfluss haben, bleibt uns nur diese Möglichkeit. Ein Zitat des Dalai Lama bringt dies sehr schön auf den Punkt und es begleitet mich schon seit einigen Jahren:

"Nichts ist entspannter als das anzunehmen, was kommt."

Klingt heftig, ist aber so.

Mein Umgang mit Mental Load

Ich habe vier Möglichkeiten gefunden mit Mental Load umzugehen, von denen ich Dir gerne erzählen möchte:

Akzeptanz

Prioritäten setzen

Erwartungen überprüfen

To Do - Liste schreiben

Akzeptanz

Es gibt Dinge, die müssen getan werden, leider, und als Alleinerziehende bleiben sie nun mal meistens an uns hängen. Wir müssen uns ins Wartezimmer setzen, wenn die nächste Vorsorgeuntersuchung beim Kind ansteht, ob wir da Zeit und Lust drauf haben zählt nicht. Wir müssen Einkaufen gehen und das Kind unter Umständen bei den Hausaufgaben unterstützen. Innerlich dagegen anzugehen macht es nur schlimmer. Akzeptanz, annehmen, dass das jetzt so ist, hilft, den Ärger zu vertreiben oder zumindest in Schach zu halten. Sich darüber aufzuregen bringt ja nichts, damit schaden wir uns nur selbst. Und irgendwie ist das ja auch vergeudete Lebenszeit, oder?

Dieses Annehmen was ist, hilft auch im Umgang mit unseren Kindern. Besonders meine jüngste Tochter hatte früher heftige Wutanfälle und sie wollte mit ca. 2 Jahren alles „leine“ machen. Sich morgens „leine“ waschen und Haare kämmen (das besonders ausgiebig), sich „leine“ Schuhe und Jacke anziehen. Das ging natürlich alles eher langsam vonstatten. Besonders das Anziehen übte sie ja noch. Hier kamen dann auch oft ihre Wutanfälle durch, wenn es nicht so klappte, wie sie wollte. Helfen durfte ich aber auch nicht, also kamen wir jeden Morgen die obligatorischen 5 – 10 Minuten zu spät in die Kita. Es half auch nicht, dass ich sie früher weckte mit dem Hintergedanken, dass sie dann mehr Zeit hätte. Es scheint nämlich irgendwie ein Gesetz zu geben, dass, wenn man Kinder in einem gewissen Alter hat, man regelmäßig zu spät kommt, selbst wenn man noch so gut plant und organisiert. 

Anfangs hat mich das in großen Stress versetzt. Mir war es unangenehm, so gut wie jeden Tag in den Morgenkreis der Kindergartengruppe meiner Tochter zu platzen, obwohl ich alles versuchte, um pünktlich zu sein. Da ich selbst als Erzieherin gearbeitet habe, weiß ich wie störend das sein kann. Diese Gedanken und die Anspannung hat meinen Mental Load verstärkt.

Irgendwann habe ich es aber akzeptiert. Es war halt so, da konnte ich machen, was ich wollte. Und ein weiterer Punkt kam hinzu:

Prioritäten setzen

Ich habe eine Priorität gesetzt. Die Autonomie meiner Tochter war mir wichtiger. Ich war stolz auf sie, dass sie so einen starken Willen hatte (Das „Leine-Machen“ hat sie echt durchgezogen, sie wollte das um jeden Preis!), hingegen war das Pünktlich-sein-wollen mit dem Gedanken behaftet: Was halten die ErzieherInnen von mir? Denken die, ich habe mein Kind nicht „im Griff“ (ich find‘ diesen Ausdruck übrigens ganz schrecklich) oder dass ich unorganisiert bin? Ich wollte also eine Erwartung erfüllen. Natürlich die der Kita, aber auch meine eigene: Die total gechillte und perfekte Mutter, die ihr Kind jeden Morgen pünktlich in den Kindergarten bringt. Vorher hat sie natürlich für ihr Kind Vollkornpancakes  zum Frühstück gebacken…

Im Übrigen habe ich nie Ärger von den ErzieherInnen bekommen…Danke an dieser Stelle nochmal für die Geduld und die Wertschätzung!

Damit wären wir beim nächsten Punkt:

Erwartungen überprüfen

Halst Du Dir so viele Aufgaben auf, weil Du eine zu hohe Erwartung an Dich selbst hast oder vermeintliche Erwartungen anderer erfüllen willst? Wessen Erwartungen versuchst Du zu erfüllen?

Haushalt und Erwartungen, auch ein Thema, was mich lange begleitet und ordentlich in Stress versetzt hat. Ich hatte den Anspruch, dass meine Wohnung möglichst aussah wie die Ausstellung eines bekannten Möbelriesen. Das Problem mit dem Haushalt ist nur: Das bleibt ja nicht lange so. Es nimmt nie ein Ende. Und es macht mich nun mal nicht glücklich und zufrieden um 21 Uhr, nach einem langen Arbeitstag, Einkaufen, Kochen, Kinder-ins-Bett bringen usw. noch zu bügeln oder dergleichen. Mein Energie-Haushalt spielt da einfach nicht mit. Und in manchen Sachen sehe ich den Sinn auch nicht, Stichwort: Unterwäsche bügeln.

Irgendwann kam ich dahinter, dass das Meiste davon auch gar nicht meine Erwartungen waren. Ich hatte das Bild der typischen Hausfrau der 50er Jahre im Kopf, aber mein Leben besteht nun mal aus mehr als den zwei Fragen: „Was ziehe ich an und was koche ich heute?“ Letztendlich müssen meine Kinder und ich uns hier wohl fühlen und niemand sonst.

Die To Do - Liste

Beim letzten Punkt fragst Du Dich vielleicht: To-Do-Liste?!

Ja, ganz klassisch aufschreiben, welche Aufgaben anfallen. Für mich funktioniert das prima, allerdings nur mit einem digitalen System oder Notizbuch. Zettel verlege ich und was ich nicht sehe, ist für mich dann nicht mehr da, ergo vergesse ich es.

Das Aufschreiben hilft mir, dass mein Kopf sich nicht mehr so voll anfühlt und ich Angst haben muss, etwas zu vergessen. Dieses krampfhafte „An-alles-denken müssen“, ist ja quasi der Mental Load.

Besonders mit dem digitalen System, was ich nutze, komme ich prima klar, weil mir auf der Startseite direkt angezeigt wird, welche Aufgaben anfallen. Sobald mir eine Aufgabe in den Kopf kommt, tippe ich sie ins Handy und ich muss quasi nicht mehr dran denken. Mit der Einkaufsliste handhabe ich es übrigens genauso.

Ein Lichtblick gegen das Mental Load

Du siehst, auch als Alleinerziehende sind wir dem Mental Load nicht komplett hilflos ausgeliefert. Es gibt doch das Eine oder Andere, was wir selbst tun können.

Solltest Du Dich aber sehr ausgebrannt und erschöpft fühlen, scheu‘ Dich nicht Dir professionelle Hilfe zu holen. Ein erster Ansprechpartner kann Dein Hausarzt sein. Auch gibt es die Möglichkeit Unterstützung durch eine SPFH (Sozialpädagogische Familienhilfe) zu bekommen. Diese kannst Du bei Deinem Jugendamt beantragen. Oft ist das mit Angst behaftet, aber diese Hilfen sind da und können eine enorme Entlastung sein.

Denk‘ daran: Auch Autos müssen aufgetankt werden, sonst kannst Du Deine Reise irgendwann nicht mehr fortsetzen. Und das wäre doch schade, es gibt auf dieser Welt so viel zu entdecken…

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